Der Fall Nathanael: Wie falsche Perspektive das Leben kostet

17. Dezember 2024

Einführung in das Thema

Im Deutschunterricht haben wir das Buch «Der Sandmann» von E.T.A Hoffmann gelesen. Dies als Beispielwerk für die Romantik, mit welcher wir uns im Moment beschäftigen. Als Endprodukt schreiben wir eine Deutung über ein frei gewähltes Thema vom Buch und veröffentlichen diese dann als Blog. Wir schreiben vier solcher Blogs, über die es am Ende des Jahres eine mündliche Note gibt.

Um uns für die Deutung vorzubereiten, haben wir zuerst das Buch im Plenum inhaltlich analysiert, ohne direkt etwas zu deuten. So kannte danach jeder die Struktur des Buches und den Ablauf der Handlung. Die Handlung möchte ich kurz zusammenfassen: Es gibt einen auktorialen Erzähler, der uns zuerst drei Briefe zur Verfügung stellt, um uns in den Kontext, bzw. in das Trauma von Nathanael einzuführen. Nathanael fürchtet sich davor, die Kontrolle über seine Wahrnehmung und Realität zu verlieren. Danach startet die Geschichte. Nathanael verliert während der Handlung zunehmend die Kontrolle über seine Wahrnehmung, verliebt sich so auch in eine Maschine (Olympia) und verliert den Bezug zu seiner Verlobten Clara. Am Ende kann er Realität und Illusion nicht mehr unterscheiden und stürzt sich schliesslich selbst in den Tod.

Nachdem der inhaltliche Teil besprochen war, widmeten wir uns der Deutung. Wir schauten verschieden Wege an, wie man Bücher deuten kann. Dies mit verschiedenen Methoden: Zum Beispiel indem man seinen eigenen Fragen nachgeht, oder am Ende des Buches hat es Aspekte zur Deutung und man kann sich auch online inspirieren lassen. Dabei fiel uns auf, dass das Augen Motiv sehr präsent ist und Augen für sehr viel stehen können. So steht das Auge für Wahrnehmung, Realität, Wissenschaft, Aufklärung etc. Mich hat dabei die Wahrnehmung sehr angesprochen und daher habe ich die Wahrnehmung zum Thema meiner Deutung gemacht.

Die Perspektivenverzerrung Nathanaels

Ich möchte in meiner Deutung erläutern, wie es dazu kommen kann, dass die Perspektive bzw. die Wahrnehmung von Nathanael so stark verzerrt wird und es ihm schlussendlich das Leben kostet.

Dafür müssen wir an den Anfang des Buches, zum Besuch des Sandmanns. Der Sandmann, der üblicherweise da ist, um Kinder müde zu machen und ihnen Träume zu schicken, löst in Nathanael ein Trauma aus. Dies, indem er ihm die Augen nehmen will und damit seine Perspektive, seine Wahrnehmung zerstören will. Obwohl er die Augen schließlich nicht nimmt, reicht dies aus, um in Nathanael eine tiefe Angst vor dem Verlust der Wahrnehmung zu verankern. Dieses Trauma zeigt sich schon bereits kurz danach, als es für Nathanael so aussieht, als hätte der Sandmann seinen Vater umgebracht, es aber nicht klar ist, ob dies wirklich so passiert ist.

Dass das Trauma tief im innerem von Nathanael steckt, zeigt sich beim Besuch vom Wetterglas Händler Coppola. Nathanael sieht in Coppola wieder den Sandmann und fürchtet sich vor ihm. Passend dazu kommt Coppola auch mit verschiedenen Perspektivgläsern, die darauf deuten, dass die Perspektive von Nathanael schon ziemlich verzerrt ist und er nicht mehr richtig weiss, was Real und was eine Illusion.

Als Nathanael dann beim zweiten Besuch von Coppola ein Perspektiv kauft, verstärkt Nathanael seine Illusion und kappt damit die letzten Verbindungen zur Realität. Das Trauma und das Perspektiv haben ihn innerlich durcheinandergebracht und seine tiefe Angst wird wahr. Seine Wahrnehmung verändert sich, seine Perspektive wird verzerrt. Indem er das Perspektiv vom Wetterglas Händler kauft, kommt er nicht über sein Trauma hinüber, sondern akzeptiert die veränderte Wahrnehmung, als wahr und die Realität verliert an Bedeutung. Dies hat er aber selbst nicht gemerkt. Dies zeigt sich direkt danach, als er Olympia im Perspektiv, was wieder für eine verzerrte Wahrnehmung steht, beobachtet. Er sieht in ihr nicht eine Maschine, sondern ein Mensch. Er kann Illusion und Realität nicht mehr auseinanderhalten.

Am Ende wird Nathanael von seiner verzerrten Wahrnehmung überwältigt. Auf dem Turm zückt er sein Perspektiv und sieht darin Clara. Aber er ist sich nicht sicher, wen er darin wirklich sieht. Denn seine Wahrnehmung ist völlig zerstört. Die Illusion und die Realität lassen sich nicht unterscheiden. Diese Perspektivenverzerrung löst in ihm den psychischen Zusammenbruch aus. Er möchte Clara vom Turm werfen und als dies dann nicht funktioniert, sieht er auch noch Coppelius am unteren Ende des Turmes. Dies erinnert ihn an das alte Trauma und er bricht psychisch völlig zusammen und wirft sich kurzerhand selbst vom Turm.

Metatext über den Schreibprozess

Quelle: